hr-iNFO-Büchercheck: Unterleuten von Juli Zeh

hr-iNFO-Büchercheck: Unterleuten von Juli Zeh

10.03.2016

Juli Zeh ist eine der erfolgreichsten deutschen Schriftstellerinnen der vergangenen 15 Jahre. Gerade ist ihr jüngster Roman erschienen. Er heißt „Unterleuten“. Der Titel ist doppeldeutig, zum einen ein Ortsname, ein Dorf irgendwo auf dem platten Brandenburger Land, und man begibt sich unter Leute und in Schicksale hinein, die im Krieg, in der DDR-Vergangenheit oder nach der Wende begannen. hr-iNFO Bücherchecker Frank Statzner hat den Roman gelesen.

Worum geht es?
Juli Zeh präsentiert das Dorf als augenscheinliche Idylle und gleichzeitig als Hölle. Die Menschen, die dort leben, bekriegen und hassen sich zum Teil schon seit Jahrzehnten. Das könnte immer so weiter gehen, wenn nicht neue, junge Leute ins Dorf kämen. Und die bringen neue Ambitionen und auch Verhaltensweisen mit sich: Egoismus, Individualismus, unbedingten Durchsetzungswillen. Der Bürgermeister des Ortes, der immer wieder versucht, vernünftige Lösungen für seine Gemeinde zu finden, hat für die Untiefen des Dorfes einen klaren Blick.

„Er hielt nichts davon, den Dorforganismus mit der toxischen Frage nach Schuld oder Unschuld zu vergiften. Lieber wollte er die Gegenwart als ein Material behandeln, aus dem sich etwas Schönes formen ließ. Seiner Erfahrung nach wurden die schlimmsten Übel auf der Welt nicht durch böse Menschen bewirkt. Von denen gab es in Wahrheit erstaunlich wenige. Viel gefährlicher waren Leute, die sich im Recht glaubten. Sie waren ungeheuer zahlreich, und sie kannten keine Gnade.“

Als dann ein Windpark gebaut werden soll und viele davon profitieren wollen, bricht das fragile und morsche Regelsystem aus alten Abhängigkeiten und gegenseitigen Gefallen zusammen. Entfesselte Menschen treiben sich in Tragödien.

Wie ist es geschrieben?
Juli Zeh erzählt ihre Geschichte aus den Perspektiven ihrer Protagonisten. In jedem Kapitel wechselt sie. Immer wieder ragen aus dem Erzählfluss bedeutungstragende Sätze heraus, die bündeln, was Zeh an gesellschaftlicher Analyse transportieren will.

Wie gefällt es?
Juli Zeh ist ein spannender, kritischer und kluger Roman gelungen. Er steht mitten in unserer Gegenwart und bringt so manches Phänomen unserer Zeit auf den Punkt. Einzelne Charaktere sind zwar nah am Klischee, andere dafür wunderbar vielschichtig. Am Ende ergibt sich ein Bild. Auch wenn Flüchtlinge noch keine Rolle spielen, wer Unterleuten gelesen hat, kann sich denken, warum unsere Gesellschaft von der Spaltung bedroht ist. Eine Lösung bietet der Roman damit aber noch nicht an.

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gebundenes Buch, 640 S.
Sprache: Deutsch
Luchterhand Literaturverlag
ISBN: 9783630874876